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“A young journey into the heart of European democracy“ 61. MEP Europe in Kehl/Offenburg und Straßburg

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„My perception of Europe has certainly changed for the better, my point of view has broadened and I have understood what it means to ‘have a European point of view,’ where all countries can dialogue on the same level and without prejudices. It has been enriching for me to talk to so many people of so many nationalities who, before being French, Bulgarian, Spanish or Dutch, were young people like me, who shared the same interests as me. Seeing so many people engaged in such important issues gives me a lot of confidence in the future.“

Mit diesen Worten aus der Evaluation bringt ein Teilnehmer des 61. Internationalen Model European Parliament (MEP) in Kehl und Straßburg perfekt auf den Punkt, was das Projekt bewirken sollte: den europäischen Gedanken erlebbar machen, Vorurteile abbauen und das Verständnis füreinander vertiefen.

Vom 22. Februar bis zum 1. März 2025 kamen 180 Jugendliche aus 24 europäischen Ländern im Eurodistrikt Straßburg-Ortenau zusammen. Erstmals in der Geschichte des MEP fanden die Sitzungen grenzüberschreitend statt – sowohl in Kehl und Offenburg auf deutscher Seite als auch in Straßburg auf französischer Seite. Die geografische Herausforderung wurde durch die Fußgänger-Europabrücke über den Rhein erleichtert, die den Weg zwischen den Veranstaltungsorten verkürzte und gleichzeitig die symbolische Bedeutung eines Europas ohne Grenzen verdeutlichte.

Nach der zum Teil langen Anreise startete das offizielle Programm mit einem farbenfrohen Einblick in den turbulenten Karneval der Stadt Kehl – direkt gegen über der Straßburger Jugendherberge auf der anderen Rheinseite in Deutschland gelegen. Am nächsten Tag ging es dann ins Europaviertel nach Straßburg, wo die Ausschüsse sich auf eine echte europäische Rallye begaben: vom EDQM über den Europarat bis hin zum Europäischen Parlament – es war alles dabei! Danach starteten die ersten Ausschusssitzungen in der Hochschule Kehl, wo eifrig an den Ausschusssketches gearbeitet und die ersten Schritte der Resolutionen abgestimmt wurden. Am Abend sorgte ein unterhaltsames Kahoot-Quiz rund um Europa, moderiert von Vizepräsidentin Aarna aus Finnland, für viel Spaß. Jeder Ausschuss stellte anschließend seinen kreativen Sketch zum Ausschussthema vor.

Die feierliche Eröffnung im Regionalrat Grand Est durch die Abgeordnete  Ã‰velyne Isinger war der erste wirklich offizielle Moment. Nach der Europahymne hießen zahlreiche Gastredner die Delegierten herzlich willkommen, darunter auch die Vorsitzende von MEP Deutschland, Emily Vontz, die sich per Video zuschalten ließ. Christopher Lucht für den Gastgeber MEP Deutschland und Gottfried Oehl für die Dachorganisation MEP Europe sowie  die Präsidenten Linus Usener und Clémence Vercaemer richteten europäisch-inspirierte und inspirierende Worte an das Plenum. Die Vorstellungsreden der Delegationen drehten sich um die aktuellen Herausforderungen Europas: den Einfluss von Donald Trump, Wladimir Putin  sowie die deutsch-französische Aussöhnung nach dem 2. WK, die sich gerade in der Stadt Straßburg manifestiert. Erfreulich war der durchweg positive europäische Grundton der Eröffnungsstatements, selbst aus Ländern, deren Regierungen der EU skeptisch gegenüberstehen.

Nach den Reden der Heads of Delegations machten sich die Ausschüsse auf den Weg zu ihren Tagungsorten für die Woche. Neben der Hochschule Kehl tagten einige Ausschüsse im Regional Council in Grand Est, im EDQM, in der Kehler Hochschule, dem Europazentrum Kehl oder im Landratsamt Offenburg.

Am Nachmittag fanden die Expertengespräche statt, bei denen die Gäste entweder persönlich anwesend waren oder per Video zugeschaltet wurden.  Darunter war ein Professor der Stanford University, ein Mitarbeiter aus dem Kanzleramt, eine Expertin von Erasmusplus (BiBB), ein Jugendoffizier sowie der Europareferent aus der Bayrischen Staatskanzlei.  Die Delegierten hatten so die Möglichkeit, wirklich spezifische Fragen zu ihren Ausschussthemen zu stellen.

Einige ausgewählte Teilnehmer hatten die Ehre in Kehl einen Empfang des Bürgermeisters  Wolfram Britz beizuwohnen, der anschauliche Einblicke in das tägliche Leben an der Grenze bot. Der Abend stand ganz im Zeichen des Cultural Evenings, bei dem jede Delegation ihr Land vorstellte, sich passend zum rheinischen Karneval verkleidete und mitreißende Volkstänze aufführte, bei denen es niemand mehr auf seinen Stühlen hielt.

Nachdem die Resolutionen eingereicht waren, fand am Dienstagnachmittag im Offenburger Kreistag die Pressekonferenz statt – eine echte Neuerung für uns als MEP Deutschland. Die Vertreter aus dem Presseausschuss hatten kritische Fragen vorbereitet, auf die die Ausschussvertreter antworten mussten. Moderiert wurde die Pressekonferenz von den beiden CPs Hannah Link und Milla Jalasto. Im Anschluss gab es die lang erwartete Fishbowl-Diskussion mit hochkarätigen Gästen wie Dr. Udo Bux vom Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in München, Landrat Thorsten Erny, Jugend-Staatssekretär Volker Schebesta und Axel Müller vom Europazentrum Stuttgart. Die Delegierten hatten die Gelegenheit, unter der Moderation der beiden deutschen Präsidenten Linus Usener und Eva Blum Fragen zu ihren europäischen Themen zu stellen.

Während einige CPs und das Präsidium etwas freie Zeit für eine Bootstour auf der Ill durch Straßburg nutzten, stand am Mittwochvormittag für die Delegierten im Jugendzentrum des Europarates das Lobbying auf dem Programm. Neben dem Lesen und Verstehen der 10 Resolutionen ging es darum, Änderungsanträge zu formulieren und für die eigenen Vorschläge genug Unterschriften von Mitdelegierten einzuwerben. 

Nach einer intensiven Einlasskontrolle startete dann endlich unter der Schirmherrschaft der Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, die Plenardebatte im Europäischen Parlament – zweifellos der Höhepunkt des Projektes, auf den alle seit Monaten hingefiebert haben. Auch am Donnerstag und Freitag wurden die spannenden und lebhaften Debatten im Saal der S&D Fraktion fortgesetzt. Hier standen wir unter der ständigen europäischen Beobachtung des Geistes des ehemaligen Bundeskanzlers, Europaabgeordneten und Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt. Die jungen Delegierten erlebten hautnah, wie demokratische Entscheidungsprozesse funktionieren. So wurde eine Resolution zu LGBTQ-Rechten mit hauchdünner Mehrheit angenommen, während sieben von zehn Resolutionen letztlich scheiterten – eine kleine Enttäuschung für die Delegierten, aber ein Zeichen dafür, dass die Jugend einen kritischen Blick erlernt hat!

Die „Junge Reise ins Herz der Europäischen Demokratie“ wurde für die 180 Delegierten durch die Gespräche mit den  beiden Europaabgeordneten Vivian Costanzo (Offenburg) und Fabienne Keller (Straßburg) abgerundet.  Dieser Blick in die europäische Realität war eine erfrischende Abwechslung und machte deutlich, dass unsere Simulation weit mehr als nur ein Spiel ist.  Die Sitzung zeigte vielmehr eindrucksvoll, dass Nationalismus und Europaskepsis nur einen Teil der aktuellen politischen Realität ausmachen.

80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sendete die europäische Jugend von Straßburg ein starkes Signal aus: Vertrauen, Verständigung und dauerhafter Frieden sind nur durch Institutionen, Regeln und Zusammenarbeit möglich. Dieses MEP hat gezeigt, dass die europäische Idee weiterhin lebt – getragen von jungen Menschen, die sich engagieren und die Zukunft Europas mitgestalten wollen.

Ein besonderer Dank gilt den finanziellen Förderern dieses bedeutenden Projekts: der Europäischen Union (Erasmus+ Jugend), der Jugendstiftung Baden-Württemberg, der Heidehof Stiftung, dem Staatsministerium Baden-Württemberg und dem Goethe-Institut Nancy. Auch zahlreiche Tagungsorte wurden kostenlos oder vergünstigt zur Verfügung gestellt, darunter das Europäische Parlament, der Rat der Region Grand Est, die Hochschule Kehl, das Euro-Institut Kehl, das EDQM, das Lieu d’Europe, der Ortenaukreis sowie die Rathäuser von Kehl und Straßburg.

Dass an einem der Abende zudem von Bürgermeisterin Veronique Bertolle ein Empfang im Alten Rathaus von Straßburg gegeben wurde, war der krönende i-Tüpfelchen auf dem Projekt: Denn  hier fand auch die erste Sitzung des Ministerrates des Europarates  im August 1949  statt – praktisch der Startschuss für die Europäische Einigung. Apropos Europarat: Der stand dann ganz am Ende  ebenfalls noch auf unserem Projektprogramm. Denn mit dem Europarat fing alles an.  

Damit schließt sich der Kreise. Zum Abschluss noch einmal die Stimme eines Teilnehmers, der den Geist dieses Projekts perfekt zusammenfasst: „We the Europeans have more in common than what devides us“.

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