Online-Diskussion
Im Vorfeld der Europawahl hatte das BW EUROPE DIRECT Netzwerk in Kooperation mit dem Staatsministerium Baden-Württemberg Bürger*innen eingeladen, im Rahmen von World Cafés ihre Anliegen an Europaabgeordnete zu formulieren. Diese Anliegen haben wir weitergeleitet und sind am 27.3.2025 online ins Gespräch gegangen. Mit dabei waren die MdEPs Prof. Andrea Wechsler, Dr. René Repasi und Michael Bloss.
Moderiert wurde die lebhafte und inhaltlich dichte Debatte von Birgit Boeser, die zahlreiche Publikumsfragen aufgriff und so einen intensiven Dialog zwischen Bürger*innen und Politik ermöglichte.
Im Fokus standen zwei zentrale Themenkomplexe: Die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie der Klimaschutz. Angesichts geopolitischer Spannungen und einer veränderten Sicherheitslage – insbesondere mit Blick auf Russland – plädierten alle drei Abgeordneten für eine stärkere europäische Handlungsfähigkeit. Michael Bloss betonte die Notwendigkeit gemeinsamer Verteidigungsstrukturen und warnte vor einem Rechtsruck im Europäischen Parlament, der wichtige Fortschritte blockieren könne. Andrea Wechsler sprach sich für mehr Souveränität Europas in kritischen Infrastrukturen aus und verwies auf die Bedeutung funktionierender Lieferketten und industriepolitischer Eigenständigkeit. René Repasi hob hervor, dass ein zögerliches deutsches Abstimmungsverhalten im Rat („German Vote“) zunehmend das Vertrauen in die deutsche Verlässlichkeit beschädige.
Beim Thema Klimapolitik wurde deutlich: Der Handlungsdruck bleibt immens. Bloss und Repasi kritisierten Bestrebungen, bestehende EU-Klimagesetzgebung aufzuweichen. Der Clean Industrial Deal dürfe keine Abkehr vom Green Deal bedeuten. Wechsler verwies auf die Notwendigkeit, wirtschaftliche Realitäten ernst zu nehmen und Verwaltungsprozesse zu verschlanken, ohne die Klimaziele aufzugeben. Repasi warnte eindringlich vor der Aufweichung der politischen Mehrheiten durch Zusammenarbeit mit rechtsextremen Kräften. Alle drei waren sich einig, dass Europa in der globalen Technologiewende aktiv bleiben müsse – sowohl aus wirtschafts- als auch klimapolitischen Gründen.
Auch Migrations- und Arbeitsmarktthemen wurden diskutiert. Während Wechsler die mangelnde Produktivität in Deutschland betonte und für eine nüchterne Bedarfsanalyse beim Fachkräftemangel warb, plädierte Bloss für eine offensivere und positivere Erzählung über Migration. Repasi unterstrich, dass geregelte Zugänge zum europäischen Arbeitsmarkt entscheidend seien, um das Asylsystem zu entlasten und die Fachkräfteproblematik anzugehen.
Ein besonders wertvoller Teil der Veranstaltung war die Beteiligung junger Menschen. In Fragen und Wortmeldungen zeigten sie, dass sie sich mehr politische Berücksichtigung wünschen. Die Abgeordneten machten deutlich, dass Jugendpartizipation über unterschiedliche Formate – von Beteiligungsverfahren bis zu schulischen Begegnungen – bereits existiere, aber noch mehr genutzt werden könne.
Trotz parteipolitischer Differenzen verlief die Diskussion in einem sachlichen und respektvollen Ton. Einigkeit herrschte darin, dass Europa vor fundamentalen Herausforderungen steht, die nur im Miteinander gelöst werden können. Die Debatte endete mit einem optimistischen Ausblick: Europa braucht und verdient engagierte, streitbare Demokrat*innen, die im Gespräch bleiben – miteinander und mit der Gesellschaft.